IndyCar Long Beach: Knapper Sieg für Scott Dixon bei Strategiepoker

Scott Dixon setzt sich in enger Schlussphase in Long Beach gegen Colton Herta durch, der Josef Newgarden um Siegchance bringt - Theo Pourchaire beim Debüt fast Top 10

(Motorsport-Total.com) - Das zweite Punkterennen der IndyCar-Saison 2024, ausgetragen auf dem Stadtkurs in Long Beach (Kalifornien), war ein von Strategie geprägtes. Als es nach 15 der 85 Rennrunden die einzige Gelbphase gab, wurden die Strategien im Feld gesplittet.

Titel-Bild zur News: Scott Dixon

Zweiter Long-Beach-Sieg nach 2015 für Ganassi-Routinier Scott Dixon Zoom

Durchgesetzt hat sich letztlich Scott Dixon (Ganassi-Honda) mit einer einmal mehr absolut abgeklärten und souveränen Fahrt, im Zuge derer er eine Menge Sprit sparen musste und sich in der Schlussphase erst gegen Josef Newgarden (Penske-Chevrolet) und schließlich gegen Colton Herta (Andretti-Honda) erwehren musste. (Fotos: IndyCar in Long Beach)

Newgarden war auf der anderen Strategievariante unterwegs als Dixon. Letztlich war es ein später Zwischenfall mit Herta, der den Penske-Piloten beim seinem persönlichen Jubiläum die Chance auf den Sieg kostete. Für Newgarden nämlich war es das 200. Rennen seiner IndyCar-Karriere. Dieses beendete er letzten Endes als Vierter. (Ergebnis: IndyCar in Long Beach)

Mit seinem vierten Platz hat Josef Newgarden seine Tabellenführung, die er seit seinem Sieg beim Saisonauftakt in St. Petersburg innehat, trotzdem verteidigt.

Felix Rosenqvist auf Pole, Will Power gewinnt den Start

Felix Rosenqvist (Shank-Honda) als Polesetter und neben ihm Will Power (Penske-Chevrolet) starteten aus der ersten Reihe. Die von Rosenqvist im Qualifying am Samstag herausgefahrene Pole war die erste IndyCar-Pole überhaupt für das Team von Michael Shank.

Derweil wurde es Power, den Rekordhalter bezüglich IndyCar-Poles zum ersten Mal seit dem Saisonfinale 2022 (Laguna Seca) wieder eine Fahrt in die erste Startreihe. Die Pole-Zeit von Rosenqvist hat er gerade mal um 0,004 Sekunden verpasst.

Und auch beim Start des Rennens ging es eng zu. Power war in den Top 9 der Startaufstellung der einzige, der mit den grün markieren weichen Reifen loslegte. Auf der Außenbahn von Kurve 1 nahm er Polesetter Felix Rosenqvist direkt die Führung ab.

Knapp außerhalb der Top 10 kamen sich die McLaren-Stars Patricio O'Ward und Alexander Rossi direkt in der zweiten Kurve der ersten Runde gegenseitig in die Quere. O'Ward fuhr im Startgetümmel auf Rossi auf und kassierte dafür eine Durchfahrtsstrafe.

Ganz vorne diktierte Will Power das Tempo in der Anfangsphase. Hingegen musste Felix Rosenqvist binnen weniger Runden auch Josef Newgarden, Marcus Ericsson (Andretti-Honda), Colton Herta und Alex Palou (Ganassi-Honda) ziehen lassen.

Gelbphase sorgt für unterschiedliche Strategien

Die einzige Gelbphase des Tages gab es in der 15. von 85 Runden. Grund war ein Dreher von IndyCar-Rookie Christian Rasmussen (Carpenter-Chevrolet) ausgangs Kurve 4. Aus dem Dreher wurden eine Kollision mit Jack Harvey (Coyne-Honda) und schließlich Mauerkontakt für Rasmussen.

Vom Großteil des Feldes, darunter Spitzenreiter Will Power, wurde die erste Gelbphase zum ersten Boxenstopp genutzt. Power ließ dabei auf die unmarkierte harte Reifenmischung umrüsten. Elf Piloten aber blieben in dieser ersten Gelbphase auf der Strecke und lagen somit beim ersten Restart vor Power und Co..

Angeführt wurde das Feld von Josef Newgarden. In der Reihenfolge Newgarden, Ericsson, Herta, Palou, Rosenqvist, die allesamt noch ihre harten Reifen vom Start drauf hatten, ging es ins zweite Rennviertel. Während die neue Spitzengruppe ab der 30. Runde unter Grün zum ersten Mal an die Box kam, wurde weiter hinten im Feld Will Power in der Position des Führenden der ursprünglichen Spitzengruppe abgelöst.

Scott Dixon nämlich überholte Power und schob sich damit in die Position, die Führung zu übernehmen, sobald Newgarden und Co. allesamt gestoppt hatten. In Runde 33 war es soweit. Fortan führte Dixon das Rennen an, gefolgt von Power, Kyle Kirkwood (Andretti-Honda), Scott McLaughlin (Penske-Chevrolet) und Graham Rahal (Rahal-Honda). Im Gegenzug war es Newgarden, der als 13. die Gruppe der anderen anführte. Die große Frage war, welche der beiden unterschiedlichen Strategien im Feld am Ende die richtige sein würde?

Scott Dixon bringt Strategievariante 1 zum Funktionieren

Im Gegensatz zu Will Power, als der im Mittelfeld mit harten Reifen fuhr, war Josef Newgarden in seiner Mittelfeldposition mit weichen Reifen in der Lage, das eine oder andere Überholmanöver zu setzen. Der als Tabellenführer angereiste Jubilar fuhr schon wieder an fünfter Stelle, als Spitzenreiter Scott Dixon, Verfolger Will Power und Co. ab der 51. Runde ihren zweiten Boxenstopp einlegten - in diesem Fall unter Grün.

Die Führung ging folgerichtig wieder an Josef Newgarden. Nur sieben Runden später aber legte auch er seinen zweiten Boxenstopp ein - ebenfalls unter Grün. Nachdem der zweite Boxenstopp vom gesamten Feld absolviert war, stellte sich das Bild an der Spitze so dar: Newgarden war mit der zweiten Strategie-Variante an Power vorbeigekommen, aber nicht an Dixon.

In der Reihenfolge Scott Dixon, Josef Newgarden, Colton Herta, Will Power, Alex Palou ging es ins letzte Rennviertel. Der Unterschied: In genau umgekehrter Situation zum ersten Rennviertel war nun Power der einzige auf den harten Reifen, wohingegen die Fahrer um ihn herum für den letzten Stint weich bereift waren.

20 Runden vor Schluss hatte Scott Dixon ganz vorne gut vier Sekunden Vorsprung auf Josef Newgarden. Der auf der Verfolgung befindliche Penske-Pilot aber war in dieser Phase des Rennens der schnellere der beiden. Warum? Spitzenreiter Dixon musste Sprit sparen. Binnen weniger Runden gelang es Newgarden, seinen Rückstand auf eine halbe Sekunde zu reduzieren.

Herta fährt auf Newgarden auf - Dixon rettet Führung ins Ziel

15 Runden vor Schluss fuhr Newgarden zwar im Windschatten von Dixon. Überholen aber war ein anderes Thema. Und weil er am führenden Ganassi-Piloten nicht vorbeikam, musste sich Newgarden wenig später nach hinten orientieren. Denn Colton Herta und auch Alex Palou, der Will Power überholte hatte, kamen näher.

Neun Runden vor Schluss die Vorentscheidung: Ausgangs der Haarnadelkurve, die auf Start/Ziel führt, kam Newgarden nicht in die Gänge. Herta und Palou zogen vorbei. Die Wiederholung der Szene zeigte, dass Herta in der Haarnadel leicht auf Newgarden aufgefahren war. Dabei schaltete das Getriebe des Penske-Boliden für kurze Zeit in den Leerlauf.

So ging es in der Reihenfolge Scott Dixon, Colton Herta, Alex Palou, Josef Newgarden und Marcus Ericsson, der seinerseits an Will Power vorbeigekommen war, in die letzten sieben Runden. Fortan war es also Herta, der Spitzenreiter Dixon jagte, musste sich aber zunächst mit jeder Menge Überrundungsverkehr herumschlagen.

Ab vier Runden vor Schluss hatte Dixon keinen Überrunden mehr als Puffer hinter sich, sondern direkt Herta, der immer näher kam. Drei Runden vor Schluss betrug der Abstand weniger als eine Sekunde, zwei Runden vor Schluss schon weniger als eine halbe Sekunde. Und dabei blieb es.


IndyCar 2024: Long Beach

Die Highlights von Rennen 2 von 17 der IndyCar-Serie 2024, dem Acura Grand Prix of Long Beach! Weitere Formelsport-Videos

Nach der 85. und letzten Runde hatte Scott Dixon noch immer Vorsprung genug, um seinen ersten Saisonsieg feiern zu dürfen. Am Ende war es eine knapp Sekunde, die er vor Colton Herta ins Ziel kam. Alex Palou wurde Dritter vor Josef Newgarden auf P4 und Marcus Ericsson auf P5. Will Power mit seinen harten Reifen im letzten Stint verpasste ein Top-5-Ergebnis letztlich knapp. Er kam auf P6 ins Ziel.

Vorjahressieger Kyle Kirkwood wurde Siebter, gefolgt von Romain Grosjean, der in seinem zweiten Rennen für Juncos Hollinger Racing erstmals in die Top 10 fuhr und Achter wurde. Für Polesetter Felix Rosenqvist wurde es letztlich nur P9 vor Alexander Rossi, der nach der frühen Kollision mit McLaren-Teamkollege Patricio O'Ward immerhin noch Zehnter wurde.

Theo Pourchaire beim IndyCar-Debüt fast in den Top 10

War es für Josef Newgarden das 200. IndyCar-Rennen, so war Long Beach für einen anderen im Feld das IndyCar-Debüt. Die Rede ist Theo Pourchaire, dem aktuellen Formel-2-Champion. Der 20-jährige Franzose kam im #6 McLaren-Chevrolet anstelle von David Malukas zum Einsatz.

Theo Pourchaire

P11 beim IndyCar-Debüt für Theo Pourchaire, der kurzerhand bei McLaren einsprang Zoom

Im 27-köpfigen IndyCar-Feld fuhr Pourchaire im Qualifying direkt auf den 22. Startplatz, wenngleich er nur einen Tag zuvor im Freien Training erstmals im Auto saß. Im Rennen kam der Debütant direkt hinter McLaren-Teamkollege Alexander Rossi auf P11 ins Ziel.

David Malukas, der im Winter von Dale Coyne Racing zu McLaren gekommen ist, hat für sein neues Team noch kein einziges Rennen bestritten. Im Februar hatte er sich bei einem Sturz beim Mountainbike-Fahren das linke Handgelenk gebrochen.

Beim Saisonauftakt in St. Petersburg und beim All-Star-Race in Palm Springs wurde Malukas jeweils von Callum Ilott vertreten. Für Long Beach aber stand der Brite nicht zur Verfügung, weil er an diesem Wochenende im Porsche 963 des Jota-Teams die 6h Imola der Langstrecken-WM (WEC) bestritt.

Josef Newgarden als Tabellenführer nach Birmingham

Was die Stammpiloten der IndyCar-Saison 2024 betrifft, so hat Josef Newgarden nach zwei von 17 Punkterennen nun zwölf Punkte Vorsprung auf Scott Dixon. Auf dem dritten Tabellenplatz liegt Colton Herta mit 15 Punkten Rückstand, gefolgt von Alex Palou und von Will Power. (IndyCar-Gesamtwertung 2024)

Technisch gesehen markierte das Long-Beach-Wochenende des Debüt einer neuen Version des IndyCar-Cockpitschutzes. Die inoffiziell als Aeroscreen 2.0 bezeichnete Variante weist weniger Gewicht auf und beinhaltet zusätzliche Lufteinlässe zur Kühlung des Fahrers im Cockpit. Der neue Aeroscreen soll ab sofort auf allen Stadtkursen und allen Rundstrecken eingesetzt werden. Wann er auch auf Ovalen zum Einsatz kommt, steht noch nicht fest.

Weiter geht es im IndyCar-Kalender 2024 direkt am kommenden Sonntag (28. April) im Barber Motorsports Park bei Birmingham im US-Bundesstaat Alabama.